Laudanum
Ich wachte nachts auf. Es war eine unruhige Nacht in London und ich hörte den Regen auf das Wellblechdach des überdachten Hinterhofs prasseln, als wäre Wasser zu Blei geworden. Feuchte Luft zog durch die schlecht schließenden Fenster und wölbte die Vorhänge. Es war ungewöhnlich dunkel und es schien, als sei das Licht der Hofbeleuchtung in ein Negativ invertiert worden, Licht schluckend statt sendend.
Eine ätherische Frau mit feuchtem Haar und nassen Kleidern passierte schwebend mein Bett. In der verschlingenden Dunkelheit des Raums funkelte die Stickerei auf ihren schweren Gewändern wie polierte Kohle, als sie sich dem Fenster näherte. Die Haare flossen in Strähnen den Rücken herab und glühten golden. Die Fremde wandte sich mir zu und fixierte mich mit blasser Augen starrem Blick. Ihre ungewöhnliche Schönheit fesselte mich. Dann fasste sie sich um den Leib und ihr Gesicht verzerrte sich zu einem stummen Schrei.
Sie trat auf mich zu und sah durch die Dunkelheit hindurch in meine Augen. Sie führte eine Phiole zum blassen Mund und leerte sie lautlos. Im selben Augenblick sackten ihre Gewänder in sich zusammen, als habe ihre Trägerin sich vollständig aufgelöst. Schwärze blieb zurück.
In den folgenden Nächten wurde ich stets zur selben Zeit wach, weil ein Mann aus meinem Kleiderschrank kam. Er verließ mein Zimmer durch die Wand, hinterließ ein hohles Stöhnen im Staub und verbranntes Papier im Kamin.