Manēo
Manchmal machen wir Fehler.
Und wir können nicht einmal behaupten, dass wir diese Fehler aus Unwissenheit machen,
denn wir sind uns der Tatsache bewusst, dass wir falsch handeln.
Wir machen Fehler aus Angst.
Meistens ist es die Angst, uns selbst zu verlieren
oder das Leben, das wir uns einbilden.
Wir haben Angst, dass die Blase platzt, in der wir uns befinden,
und wir uns mit einer unbekannten und furchteinflößenden neuen Realität konfrontiert sehen.
Wir haben Angst, dass wir Fehler machen
und die anderen erkennen,
dass das, was wir die Welt sehen lassen wollen,
nichts als Fassade ist —
weil wir in uns drinnen zutiefst zerrissen
und von Selbstzweifeln zerfressen sind.
Wir haben Angst, verletzt zu werden,
Angst, verlassen zu werden.
Dann verletzen wir diejenigen, die uns verletzen können,
und verlassen sie,
damit sie uns nicht verletzen und verlassen.
Und bleiben zurück —
mit einem gebrochenen Herzen und Scham,
weil wir wissen, dass wir Unrecht getan haben,
und denken, dass es unverzeihlich ist
und wir ein schlechter Mensch sind,
der das Gute nicht wert ist.
Aber wir müssen weitermachen.
Damit keiner merkt, wer wir wirklich sind.
Wir müssen den Schein wahren,
den Heiligenschein polieren,
gute Miene zum bösen Spiel machen.
Weil sonst die anderen,
die genauso kaputt sind wie wir,
merken, dass wir schwach sind.
Wir müssen um uns schlagen und treten
und die demütigen und erniedrigen,
die in den Augen der anderen weniger wert sind als sie,
damit man nicht selbst ein Opfer dieser Brutalität wird.
Und dadurch verlieren wir nicht nur
die Menschen,
die uns wirklich sehen und lieben,
sondern zerstören Stück für Stück
unsere Seele.
Wir wissen das —
aber kommen aus diesem Teufelskreis nicht mehr heraus.
Wir können die Menschen, die wir lieben,
nicht in unserem Leben behalten,
denn sie sind unser Spiegel.
Vor diesem Spiegel haben wir Angst.
Nicht, weil er uns die grauenhafte Wahrheit zeigt —
im Gegenteil!
Dieser Spiegel zeigt uns, wie wir sind:
gut und rein.
Aber wir sehen es nicht,
denn unsere Angst verzerrt das Spiegelbild
in einer Art und Weise,
die wir nicht ertragen.
Deswegen zerstören wir den Spiegel.
Und sind für immer traurig.
Dabei ist es in Wahrheit ganz anders.
Diejenigen, die wir aus Angst zerstören und auslöschen,
sind nicht das, was wir in ihnen sehen.
Sie sind echt
und nicht die Projektionsfläche,
zu der wir sie degradiert haben.
Sie lieben uns wirklich.
Sie verachten uns nicht.
Sie verstehen uns.
Sie verzeihen.
Sie fangen uns auf.
Sie sind immer noch da.
Sie sind immer da.
Da ist das Geheimnis.
Wir nennen es Fluch.
Dabei müssen wir nur mutig genug sein,
in den Spiegel zu schauen
und auf sie zuzugehen.
Sie warten auf uns, denn sie kennen uns.
Immer.
Hab keine Angst: alles ist gut.
Ich liebe dich.
